"Do your own Yoga"

Vor 16 Jahren hat ein kopierter Din A5-Zettel mein Leben verändert. Ich war süße 18, frisch aus dem Abi geschlüpft und in Wellington/Neuseeland auf der Suche nach dem Glück. Dort nahm ich meine ersten Yogastunden, bei Roger Livingstone.

Roger kam zu jeder Yogastunde auf seinem Motorrad angebraust und entsprach mit Lederkluft, Irokesenschnitt und lustig bedruckten T-Shirts nicht dem, was ich damals von einem klassischen Yoga-Lehrer erwartet hätte. (Zum Glück! Sonst wäre ich vor lauter Räucherstäbchen wahrscheinlich bald wieder davongelaufen.) Sobald er den Raum betrat, breitete sich eine Ruhe aus, die für mich eine Offenbarung war. Ich verfolgte seinen Kurs an der Universität während meiner zwei Monate in Wellington. In einer der letzten Stunden gab er jedem von uns einen Zettel mit seinem Credo als Yogalehrer:

 

"Do your own Yoga" stand da. Und ein Text, in dem er jeden ermutigte, Yoga einfach für sich zu praktizieren. Sich nicht von einer eigenen Yogapraxis abhalten zu lassen aus Angst, etwas falsch zu machen. There is no right and no wrong. There is only your feeling. Auf den eigenen Körper zu hören, die Beziehung zum Körper zu vertiefen und den Grenzen zu vertrauen, die er zeigt.

"Do you own Yoga"  ist mein Mantra geworden - meine "Erlaubnis" zu experimentieren: im Zelt auf meiner Radtour durch Neuseeland, im Tanzstudium, in WG-Zimmern in Dresden und in Rotterdam… Anfangs praktizierte ich wild durcheinander die Übungen, an die ich mich erinnerte, später systematisierte ich meine eigene Praxis, verband sie mit Elementen aus Feldenkrais-Kursen und Büchern, begann zu forschen, zu unterrichten und mein Repertoire zu erweitern, übertrug Prinzipien aus der Tanzmedizin auf die Yoga-Praxis.

 

Was auch immer ich heute über den Körper weiß: Ohne diesen Impuls zum Einfach-Losgehen, Ausprobieren und Sich-Selbst-Vertrauen wäre ich nie gelandet, wo ich heute bin. Vermutlich würde ich mit chronischen Rückenschmerzen viel Zeit kritisch äugend vor dem Spiegel verbringen (Ja, das tat ich damals. Geholfen hat es in keinerlei Hinsicht ;-)). Ich hätte viel verpasst!

Daher möchte ich jeden ermutigen: Mach dein eigenes Yoga! Keiner kann dir besser sagen, was du brauchst, als dein Körper. Keiner kann dir besser signalisieren, was zu viel ist und wo dich der Ehrgeiz in ungesunde Bereiche treibt. (Was du als Schutz für deinen Körper brauchst, ist dieser Gedanke: Es geht nicht um eine bestimmte Haltung. Es geht um den tiefen, langen Atem und die Qualität der Bewegung - wenn sich eines von beiden flach oder abgehackt anfühlt, geh bitte wieder aus der Haltung heraus und finde eine Variation, in der dein Atem noch tief fließen kann. Du wirst hier sehr viel schneller sehr viel weiter kommen. Versprochen.)


"Do your own…." lässt sich auf alle Bereiche des Lebens übertragen:

Struktur geben, dann damit spielen. Weglassen, was sich eng und negativ anfühlt. Aufhören, wenn etwas schmerzhaft in andere (Lebens-)Bereiche ausstrahlt. Das eigene Tempo und den eigenen Rhythmus finden. Atmen. Beobachten, ohne gleich einzuordnen oder zu bewerten. Alles darf sich mit bewegen. Es gibt kein Richtig und kein Falsch.

In diesem Sinne wünsche ich euch Freiheit und Experimentierfreude auf der Matte - vielleicht mit einer kleinen Yoga Sequenz wie dieser hier?

https://youtu.be/NAvAwkWCbi4

 

Seid herzlich gegrüßt,

Marita

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