Die 5 besten Tips gegen Lampenfieber

Lampenfieber! In den Stunden oder Minuten vorm großen Auftritt wird es wahlweise flau im Magen, man hat "die Hosen voll" und rennt ständig aufs Klo, zittert, spricht mit belegter Stimme, wird auffallend still oder auffallend fahrig, und das Herz rast… Präsenz und innere Sammlung? Die folgenden 5 Tips können dir helfen, wieder entspannt in der eigenen Mitte anzukommen.

1. Den Atem verlängern

Das bewusste Verlangsamen der Atmung reduziert Stress und reguliert das vegetative Nervensystem.* Damit hilft es auch gegen Lampenfieber!

Probiere die folgenden Übungen in Ruhe aus und baue sie wo immer es möglich ist in deinen Alltag ein, so dass du sie anwenden kannst, wenn es darauf ankommt.

Den meisten Menschen fällt es leichter, sich entweder auf die Ein- oder die Ausatmung zu konzentrieren, also nur eine der beiden Atemphasen bewusst zu verlängern. Die andere Atemphase wird von allein ebenfalls tiefer, ohne dass du aktiv darauf hinarbeiten musst.

Um deine "Lieblingsatemphase" herauszufinden:
Lege dich auf den Rücken oder setz dich bequem hin. Schließe die Augen. Lege die Hände auf deinen Bauch und entspanne so weit wie möglich. Spüre, wie sich deine Bauchdecke mit jedem Atemzug hebt und wieder senkt. Nimm deinen ganz eigenen Atemrhythmus wahr: Welche Atemphase ist länger? Die Ein- oder die Ausatmung? Welche Atemphase könntest du leichter verlängern? Suche dir Ein- oder Ausatmung aus und verlängere sie, indem du dir ersteinmal vorstellst, dass jede Aus- (oder Ein-)atmung ein wenig länger wird das die vorhergehende.

 

 

Nun beginnst du, deiner Atemluft während deiner „Lieblingsatemphase“ einen leichten Widerstand entgegenzusetzen, der dir hilft, sie noch länger werden zu lassen. Dies erreichst du, in dem du ein Geräusch erzeugst. Sende den Atem einfach einmal durch die leicht geschürzten Lippen – so als wolltest du durch einen Strohhalm aus- oder einatmen. Wiederhole das in deinem Atemtempo und –rhythmus mit jeder Ein- oder mit jeder Ausatmung. Lasse deine Lieblingsatemphase dadurch immer länger werden und erlaube der anderen Atemphase, sich ebenfalls zu vertiefen.


Variation: Zum Üben oder wenn du vorm "großen Auftritt" mehr Zeit hast, kannst du die Atmung auch mit Bewegungen verbinden, um sie zu verlängern. Die Kriegerhaltungen mit dem einatmenden Heben und dem ausatmenden Senken, wie wir es im Tanzkörpertraining praktizieren, bieten sich dafür an (siehe Foto bei "Die Körperhaltung verändern").

 

2. Die Wechselatmung

Ebenfalls recht gut erforscht sind die Wirkungen der sogenannten Wechselatmung.**

Sie beruhigt den Geist und macht wach, klar und fokussiert. Man atmet dabei wechselnd durch jeweils ein Nasenloch aus und wieder ein.

  • Lege Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand auf die Stirn (das "dritte Auge"). Alternativ winkle Zeige- und mittelfinger an und lege sie auf den Daumenballen (wie im Foto). Verschließe beide Nasenflügel mit Daumen und Ringfinger.
  • linkes Nasenloch öffnen, tief einatmen
  • beide Nasenlöcher schließen, dann rechts öffnen, tief aus- und wieder einatmen
  • beide Nasenlöcher schließen, links öffnen, und so weiter
  • Immer tief aus- und wieder einatmen für ca. 10 tiefe Atemzüge. (oder länger ;) )
  • Danach die Hand sinken lassen und dem natürlichen Rhythmus des Atems ein paar Atemzüge lang lauschen.
  • Man kann die Wechselatmung auch mit bestimmten Rhythmen und Zählzeiten ausführen, z.B. einatmend bis vier zählen, 4 Zählzeiten den Atem halten, 4 oder 8 Zählzeiten ausatmen. Anfangs irritiert das aber bei vielen Übenden den entspannten Fluss des Atems. Das lange, tiefe Atmen im eigenen Rhythmus reicht zum Lampenfieber-Beruhigen völlig aus.


Variation:  Visualisierte Wechselatmung: Wer die Wechselatmung bereits einige Male praktiziert hat, kann eine besonders alltagstaugliche Version ausprobieren: Ohne die Hände zu nutzen, stell dir einfach vor, wie derAtem durchs ein Nasenloch aus- und wieder einströmt. Das kann man jederzeit in der Straßenbahn, in der Wartezeit vorm Auftritt oder sonst irgendwo tun, mit zwei Resultaten: 1. Dein Geist wird fokussiert und daran gehindert, wilden Angstphantasien nachzujagen. 2. Der Atem wird länger und du ruhiger.

 

(Foto: David Campesino, still aus Yoga für Tänzer - REGENERATION)

 

3. Die Körperhaltung verändern

Amy Cuddy von der Harvard University hat herausgefunden, dass die sogenannte "Chef-Haltung" das Hormongleichgewicht unseres Körpers innerhalb von nur 2 Minuten signifikant verändert und unserem Selbstvertrauen einen Boost gibt. ***
Die "Chef-Haltung" (Hände hinter dem Kopf verschränkt, Brust und Ellbogen weit, Körper lang und aufrecht) steigert in dieser Zeit den Testosteronspiegel um unglaubliche 25 Prozent und senkt gleichzeitig das Stresshormon Cortisol um 20 Prozent. Da Testosteron "das" Hormon für Selbstvertrauen ist (übrigens bei Frauen ebenso wie bei Männern), kann diese Übung vor einem Job-Interview, einer Audition oder einem wichtigen Gespräch sehr hilfreich sein.

Variation: Auch diese Armhaltung lässt sich gut mit den Krieger-Haltungen verbinden - wie in diesem Video.

4. Handhaltungen: eine Mudra-Folge

Wer sich lieber darauf konzentriert, etwas "zu tun" und bei wem fahrige Bewegungen ein Problem sind, der kann den Händen mit einer Mudra-Folge eine Aufgabe und dem Geist ein damit verbundenes Mantra geben:
Setz dich locker und entspannt hin und lege die Hände auf die Oberschenkel, die Handflächen zeigen nach oben. Verbinde den Zeigefinger mit dem Daumen. Löse das wieder, öffne die Finger und verbinde nun den Mittelfinger mit dem Daumen, dann den Ringfinger und zuletzt den kleinen Finger. Wiederhole das mit allen Fingern nacheinander in einem selbstgewählten, ruhigen Rhythmus. Wenn die Bewegungsfolge sich eingespielt hat, verbinde die Handhaltungen mit Silben:
Sa - Zeigefinger
Ta - Mittelfinger
Na - Ringfinger
Ma - kleiner Finger
Also SA-TA-NA-MA, SA-TA-NA-MA,.. in deinem ruhigen Tempo.

Eine alternative Variation beschreibt die "spirituelle Lehrerin" Gabrielle Bernstein***** mit folgenden Worten:
Friede - Zeigefinger
beginnt - Mittelfinger
mit - Ringfinger
mir - kleiner Finger
"Friede beginnt mit mir." Schön, oder?

 

5. Aufgeregt sein gibt dir Kraft

Der letzte Tip ist einer der wichtigsten: Akzeptiere die Gefühle und Reaktionen deines Körpers als etwas natürliches. Versuch sie nicht zu unterdrücken oder vor anderen zu verstecken, das kostet dich zusätzlich Kraft, die du viel besser in deine Herausforderung stecken kannst.

Wenn du denkst "Mist, jetzt fängt mein Herz schon wieder an, so schnell zu schlagen" oder "Oh nein, ich zittere!", wird das deine Aufregung vermutlich nicht beruhigen, oder? Also kannst du genauso gut annehmen, wie dein Körper reagiert. Schließlich hat die Evolution all die körperlichen Reaktionen auf viel Adrenalin im Blut für einen guten Grund hervorgebracht: Sie machen dich schnell, kraftvoll und handlungsfähig. Gut, ZU viel davon willst du nicht haben, da es dich am klaren Denken hindert. Aber grundsätzlich ist es nicht schlimm, wenn dein Herz schneller schlägt: Es ist ein Zeichen, dass alles funktioniert wie es soll und dein Körper viel Kraft zur Verfügung stellt. Wenn du das anerkennst, statt innerlich dagegen anzukämpfen, und die obenstehenden Möglichkeiten nutzt, kannst du dein Stresshormonlevel auf einem unterstützenden statt überwältigenden Niveau einpegeln… und mit jeder neuen Herausforderung weiter wachsen.


Viel Erfolg in allen Lampenfieber-Situationen!
Marita


Anmerkungen und Quellen:

* Die Psychologin Dr. Kelly Mc Gonnigal schreibt unter Berufung auf eine Studie von Hye-Sue Song und Paul M. Lehrer: „Das Verlangsamen der Atmung ist eine der einfachsten Möglichkeiten, Stress zu reduzieren. Durch langsames Atmen (ca. 4-6 Atemzüge pro Minute) wird der präfrontale Cortex aktiviert, die Herzfrequenzvariabilität steigt und bringt Gehirn und Körper aus einem Stresszustand in einen Modus der Selbstregulation.”


vgl. Kelly MyGonigal, Ph.D., “The Willpower Instinct”/ “Bergauf mit Rückenwind” 2012 , S.64; 

vgl. Song, H.-S., Lehrer, P.M., “The Effects of Specific Respiratory Rates on Heart Rate and Heart Rate Variability”. In: Applied Psychophysiology and Biofeedback 28 (2003), S. 13-23


Die Herzfrequenzvariabilität zeigt an, wie sehr das Herz bei der Einatmung schneller und bei der Ausatmung langsamer schlägt. Je mehr es dies tut, umso mehr ist unser Gehirn in einem Zustand, in dem es bewusste Entscheidungen trifft – wofür auch die Atkivierung des präfrontalen Cortex im Gehirn steht. In der Psychologie ist dieses Anpassen der Herzfrequenz an die Atmung ein wichtiger Marker. Er zeigt an, wie gut ein Mensch sich “unter Kontrolle” hat bzw. wie wahrscheinlich er an einem gefassten Entschluss festhält.

****Hier eine Sammlung von Studien zur Wechselatmung und anderer Atemtechniken von Adress Greiffenhagen (2009):
http://www.viveka.de/nadishodhana/Studie_Nadishodhana_Greiffenhagen.pdf

*** vgl. http://www.hbs.edu/faculty/Pages/profile.aspx?facId=491042
**** vgl. Christiansen, Andrea, "Mudras", Irisiana/Random House
***** vgl. Bernstein, Gabriele, "A Hip Guide to Happiness"

Kommentar schreiben

Kommentare: 0